retour.gif (2124 Byte)Übersicht Merkmale

 

 

Die Bedeutung der Merkmalsuntersuchung

Jede Zuchtauslese beginnt damit, die unterschiedlichen äußeren Merkmale der Zuchttiere zu erfassen. Bei den Bienen war es zunächst die Farbe, die bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts vorwiegend herangezogen wurde. Nicht von ungefähr waren die Züchter der Italienerbiene die ersten Reinzüchter, die sich an einer charakteristischen Farbe, nämlich dem „Gelb“ ihrer Bienen ausrichteten. Hier sei an DZIERZON erinnert, der die Verbreitung der Italienerbiene wegen ihrer Brutfreudigkeit und Eignung für den Mobilbetrieb erheblich förderte. Für viele ist die Farbe auch heute noch ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung ihrer Bienen.

Die Farbe ist allerdings nicht das einzige Merkmal zur Unterscheidung der Rassen. Bei der Biene als einem relativ kleinen Lebewesen lassen sich wesentliche Unterscheidungsmerkmale kaum mit bloßem Auge feststellen. Sie werden erst bei 40facher Vergrößerung deutlich erkennbar.

Der russische Bienenforscher ALPATOV führte als erster Messungen zur Unterscheidung der geographischen Bienenrassen durch, und zwar vorwiegend die der Rüssellänge und der Körpergröße.

GOETZE führte diese Arbeiten fort, er benutzte jedoch ganz andere Merkmale zur Unterscheidung der Rassen. Er beurteilte die Farbe (Farbe des Chitinpanzers, Flankenzeichen, sowie Haarfarbe der Drohnen), die Behaarung der Arbeitsbienen (Haarlänge und Filzbinden) und das Flügelgeäder (Flügelindex und Adernstummel). Mit der Auswahl dieser Merkmale hatte GOETZE einen glücklichen Griff getan, denn mit ihnen konnte er die drei europäischen Bienenrassen (Abb.1), nämlich die Dunkle Biene (Apis mellifera mellifera), die Carnica (Apis mellifera carnica) und die Italienerbiene (Apis mellifera ligustica) sicher unterscheiden. Diese Merkmale haben - wenn auch mit geringfügigen Änderungen in ihrer Wertigkeit - bis heute ihre Bedeutung behalten.


 

Durch seine biometrischen Untersuchungen der österreichischen Carnica vertiefte RUTTNER die Kenntnis der Merkmale. Damit konnten besonders bei der Carnica die Merkmalsangaben erheblich präzisiert werden. Entsprechend wird heute dem Flügelindex eine wesentlich größere Bedeutung beigemessen als noch zu GOETZEs Zeiten; Filzbinden und Farbe haben dagegen nicht mehr den früheren Stellenwert. Auf die Bewertung des Adernstummels verzichtet man heute ganz.

Durch die Arbeiten von GOETZE wurde jedenfalls erreicht, daß die Imker über wissenschaftlich gesicherte Methoden zur merkmalsmäßigen Untersuchung der Bienenrassen verfügten (Abb. 2). Sie lernten in Schulungslehrgängen die europäischen Bienenrassen voneinander zu unterscheiden und Fremdeinschläge bei der Paarung auf den mehr oder weniger unsicheren Landbelegstellen zu erkennen. Diese in der Imkergeschichte einzigartige Schulung und Ausbildung können nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Die genannten Merkmale stehen weder in direktem Zusammenhang mit Leistungsmerkmalen, noch sind sie mit Leistungsanlagen gekoppelt. Die Merkmalsuntersuchung erfolgt ausschließlich zu dem Zweck, das Paarungsergebnis auf den Belegstellen kontrollieren zu können. Mit dieser Untersuchung können bei reinrassigem Ausgangsmaterial sowohl Misch- als auch Fehlpaarungen mit fremdrassigen Drohnen sicher nachgewiesen werden. Diese für die Arbeit auf den teilweise recht unsicheren Landbelegstellen wesentliche Hilfe ermöglicht es den Züchtern, gezielte Zuchtarbeit zu betreiben. Der Vorwurf, sie würden auf Merkmale selektieren, ist falsch. Er macht offenbar, daß die Grundsätze unseres Zuchtsystems nicht erkannt wurden.

Bei der Arbeit mit Inselbelegstellen und mit der instrumentellen Besamung hat sich gezeigt, daß etwa 95 Prozent der untersuchten Proben im rassetypischen Bereich liegen, d.h. es werden kaum Völker aufgrund der Merkmalsuntersuchung von der Nachzucht ausgeschieden. Durch sie wird die Basis für die Selektion also nicht eingeschränkt. Andererseits entbindet jedoch weder die Benutzung der Inselbelegstelle noch die instrumentelle Besamung den Züchter von der Notwendigkeit der Merkmalsuntersuchung. Denn auch dort gibt es noch Fehlerquellen, die einen Fremdeinschlag verursachen können, z.B. Umweiselung des Zuchtvolkes, Einschleppen fremder Drohnen, Verflug von Drohnen.

Mit Hilfe der Merkmalskontrolle ist es gelungen, selbst auf unsicheren Landbelegstellen das Carnica-Material vom Beginn der fünfziger Jahre bis heute in weiten Teilen Deutschlands rein zu erhalten. Hier muß besonders die Arbeit auf den hessischen Landbelegstellen und in den Reinzucht-gebieten Bayerns sowie die Zuchtarbeit in der damaligen DDR erwähnt werden. Tausende von Völkern wurden dort merkmalsmäßig erfaßt und neben Leistung und Eigenschaften gezielt auf Reinrassigkeit selektiert.

In den Anfangsjahren des Aufbaus der Carnica-Zucht war die Merkmalskontrolle in der Umgebung von Belegstellen mit überwiegendem Anteil der Dunklen Biene noch recht scharf. Fremdeinschläge ließen sich schnell und sicher feststellen. Inzwischen überwiegt bereits der Carnica-Anteil in der Umgebung vieler Landbelegstellen oder es besteht sogar ein Reinzuchtgebiet um die Belegstellen herum. Dort ist es schwierig, wenn nicht gar unmöglich festzustellen, ob und in welchem Umfang Fremdpaarungen mit Drohnen aus der Umgebung stattfanden.

Auch wenn die Meßmethoden und die Beurteilungskriterien im Laufe der letzten Jahrzehnte wesentlich präzisiert wurden, so können wir trotzdem auch heute mit der klassischen Merkmalsuntersuchung, wie sie von den Imkern durchgeführt wird und bei der fünf Merkmale berücksichtigt werden, nur darüber etwas aussagen, ob es sich um eine reine Carnica handelt, oder ob ein Fremdeinschlag vorliegt. Der Nachweis einer Paarung mit fremden, nicht auf der Belegstelle aufgestellten Drohnen ist nur dann möglich, wenn es sich um Drohnen einer anderen Rasse oder solchen mit starkem Fremdeinschlag handelt.

PECHHACKER konnte anhand neuerer Untersuchungen nachweisen, daß zwischen einzelnen Merkmalen, insbesondere dem Flügelindex einerseits und der Leistung sowie der Friedfertigkeit andererseits, ein signifikanter Zusammenhang besteht. Solange die Merkmale noch im typischen Carnica-Bereich liegen, sind sowohl die Leistung als auch die Eigenschaften einer Zuchtpopulation in Ordnung. Beim Nachweis von Fremdeinschlägen verringert sich jedoch die Leistung, während die Aggressivität zunimmt, weil bei der Paarung unselektierte Drohnen eine verminderte Honigleistung vererben. Wir wissen weiter, daß es bei Kreuzungen verschiedener Rassen zu aggressiven Völkern und zu Aufspaltungen in den Folgegenerationen kommt. Daher sind gerade für die Zuchtarbeit über Landbelegstellen die genaue Kontrolle der Merkmale und ihre Beobachtung sowie der Vergleich mit den Elterntieren unerläßlich.

In vielen Ländern, besonders in den USA, wurde früher bei der Zuchtarbeit kaum Wert auf Merkmalsuntersuchungen gelegt. Heute sieht man jedoch auch dort die Dinge anders. Angesichts des raschen Vordringens der gefürchteten „afrikanisierten Bienen“ setzt man die Merkmalsbeurteilung für praktische Ziele ein, allerdings bisher ausschließlich an Instituten und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen.

Den Züchtern wird die Beschäftigung mit den Merkmalen häufig als Formalismus vorgeworfen. Exakte Zuchtarbeit ist jedoch ohne diesen Formalismus nicht durchzuführen, wie RUTTNER einmal treffend in einem Vortrag beschrieben hat:

"Sowohl aus theoretischen Überlegungen wie auf Grund der praktischen Erfahrung läßt sich einwandfrei belegen, daß es in der Zuchtauslese ohne die Einhaltung fester Regeln nicht geht. Zu Dutzenden lassen sich dilettantische, oft mit großer Lautstärke angepriesene "Zucht"-Versuche aufzählen, die sämtlich früher oder später lautlos verschwunden sind. Schon bei der Aufzucht der Königinnen muß man die biologisch vorgegebenen Regeln (Zustand des Pflegevolkes, Alter der Larven, Schlüpfdatum usw.) peinlichst genau beachten, will man zu einem positiven Ergebnis kommen. Bei der Selektion ist es genau dasselbe - nur mit dem Unterschied, daß man hier die begangenen Fehler nicht sofort präsentiert bekommt wie bei der Aufzucht von Königinnen, sondern erst Jahre später.

Angesichts des zugegeben aufwendigen Selektionsverfahrens halte ich es für angebracht, vor jeder substantiellen Aufweichung des Systems eindringlich zu warnen. Jeder einzelne Schritt darin ist sorgfältig überlegt und begründet. Läßt man einen von ihnen aus Bequemlichkeit oder unter der Begründung der Rationalisierung weg, dann bricht das ganze System zusammen. Was übrig bleibt, ist nun wirklich „Formalismus“ - eine leere und darum wertlose Hülle, die etwas vortäuscht, was sie nicht leistet - und die darum wertloser ist als gar keine Zuchtarbeit. Züchtung ist Präzisionsarbeit vom ersten bis zum letzten Handgriff, und wer dazu nicht bereit oder fähig ist, der sollte lieber seine Hände davon lassen.“

Die fünf Körpermerkmale, die traditionell von den Imkern herangezogen werden, ermöglichen eine Untersuchung der europäischen Bienenrassen. Das Flügelgeäder, das mit dem menschlichen Fingerabdruck zu vergleichen ist, läßt aber – wie neuere Untersuchungen von KAUHAUSEN-KELLER gezeigt haben – noch weitere Unterscheidungen zu. So ist es z. B. gelungen anhand des Flügelgeäders über mehrere Generationen getrennt geführte Linien innerhalb der Carnica zu unterscheiden. Somit gewinnt die Biometrie noch weitere Aufgabengebiete bei der Überprüfung von Belegstellen und bei der abstammungsmäßigen Zuordnung von Zuchtmaterial. Eventuell ist es auch geeignet, Herkünfte der Buckfastbiene biometrisch zu beschreiben.

In der modernen Tierzucht haben in den letzten Jahrzehnten zum Nachweis der Abstammung biochemische Methoden (DNA-Analyse) Eingang gefunden. Seit einigen Jahren werden diese Verfahren auch in der Bienenzucht erfolgreich eingesetzt. Mit Hilfe dieser Verfahren ist nicht nur die Zuordnung zu verschiedenen geographischen Rassen, Zuchtrassen oder Linien möglich, vielmehr lassen sich gezielt Anzahl und Herkunft der Paarungspartner einer Königin anhand deren Nachkommen nachweisen. Auch für Material, das nicht gezielt auf bestimmte Körpermerkmale ausgelesen wurde, wie z. B. die Buckfastbiene, sind damit Möglichkeiten gegeben, die Paarung anhand der Nachkommen zu kontrollieren.

 

 

 

retour.gif (2124 Byte)Seite zurück

retour.gif (2124 Byte)Seite weiter