Stellungnahme zur Basiszucht

  Tiesler, F. K.

Standbegattung

In jüngster Zeit gibt es immer wieder Stimmen, die behaupten, bei entsprechender Selektion lassen sich auch bei Standbegattung erhebliche Fortschritte erzielen und der ganze Aufwand mit dem Betrieb und der Beschickung von Belegstellen lohne sich nicht. Diese von GOLZ als sog. „Basiszucht“ propagierte Auffassung geht fälschlicherweise von einer „mütterlichen Dominanz“ aus, wobei der väterliche Einfluß auf die Anlagen eines Bienenvolkes und auf die nachfolgenden Generationen vernachlässigt wird. Mit Zahlen wird diese „Zuchtarbeit“ jedoch nicht belegt. Dazu muß folgendes festgestellt werden:

In einem Gebiet, in dem einheitlich eine geographische Bienenrasse vertreten ist, kann man durchaus ohne Belegstellen langfristig Erfolge erzielen. Dieses ist eine Zucht in einer offenen Population und wird so genannt, weil ständig Erbmaterial von außen in die Population gelangt, das mit dem Völkerbestand, aus dem selektiert wird, nicht verwandt ist.

Bei diesem Zuchtverfahren erfolgt die Selektion vorwiegend über die mütterliche Seite, also über die Königinnen. Durch die Drohnen aus der Umgebung gelangen ständig unselektierte Gene in den Zuchtbestand. Trotzdem sind auf Dauer dabei genetische Fortschritte zu erzielen, die von verschiedenen Faktoren abhängen:

- von der Anzahl der unter Selektion stehenden Völker

- von der Anzahl der in jeder Generation selektierten Königinnen

- von dem zahlenmäßigen Verhältnis der selektierten Drohnen zu den nicht selektierten bei der Paarung

Zucht in der offenen Population.

Die Verhältnisse werden durch die Modellrechnung von CORNUET und CHEVALET (1987) veranschaulicht. Auf der senkrechten (y) Achse ist der Zuchtfortschritt (Genetisches Niveau), auf der waagerechten (x) Achse sind die Generationen (g) aufgetragen. Es wird davon ausgegangen, dass in einem Gebiet insgesamt 360 Völker vorhanden sind, von denen 120 Völker (I) ständig unter Selektion stehen, 240 Völker (E) hingegen züchterisch nicht bearbeitet wurden. Die obere Kurvenschar zeigt die genetische Verbesserung der unter Selektion stehenden Völker in Abhängigkeit von den einzelnen Generationen. Die Kurven wurden ermittelt für die Auswahl von 2,5 und 10 Zucht (K)- und Drohnen (D)- Völkern je Generation (unterschiedliche Kurven). Die Drohnenaufzucht wird in den selektierten Drohnenvölkern besonders gefördert. Auch der Anstieg des Genetischen Niveaus der nicht unter Selektion stehenden Völker (E), die sich mit den selektierten Völkern frei paaren können, ist erkennbar (untere Kurvenschar).

 

Je größer die Zahl der unter Selektion stehenden Völker, je weniger Königinnen pro Generation ausgelesen und je günstiger das Verhältnis von selektierten zu nicht selektierten Völkern im Umkreis des Standes ist, desto größer wird der züchterische Erfolg sein.

Nicht nur bei den züchterisch bearbeiteten Völkern wird eine Verbesserung erreicht. Diese Völker beeinflussen auch ihre Umgebung, denn die selektierten Drohnen paaren sich auch mit den anderen Königinnen aus der Umgebung. Diese Verbesserung wiederum hat eine positive Auswirkung, eine Art Rückkopplungseffekt auf die unter Selektion stehende Population. Nach dieser Methode hat z. B. GUIDO SKLENAR in Niederösterreich aus der dort heimischen Carnica seinen Stamm 47 gezogen. Die Erfolge stellen sich jedoch wesentlich langsamer ein als bei gleichzeitiger Selektion beider Geschlechter, also von Müttern und Vätern und deren gezielter Anpaarung.

Allerdings ist bei dieser Betrachtung das Problem der Heterosis und das der Rassenkreuzungen nicht berücksichtigt. In einem Gebiet, in dem - wie bei uns in Deutschland - der Bienenhandel floriert und ständig neues Material hereinkommt, wird es immer wieder zu Hybriden kommen. Erwähnt werden soll hier nur die zunehmende Verbreitung der Buckfast-, der Dunklen Biene und nicht zuletzt die jährlich im Frühjahr stattfindende Einfuhr nackter Völker (überwiegend Ligustica) aus Übersee. Die Hybriden werden in der Regel nicht erkannt und liefern infolge des Heterosiseffektes vitale und leistungsstarke Völker (Blender). Werden sie aus Unkenntnis der Ursache zur Nachzucht ausgewählt, kommt es in den Folgegenerationen sehr schnell zu Aufspaltungen und zum züchterischen Rückschritt. Unterschiedliche Völker mit schlechten Leistungen und unangenehmen Eigenschaften sind die Folge. Diese Tatsache muß jedem, der sich mit Genetik beschäftigt, bekannt sein. Als Beispiel hierfür lassen sich die Zuchtbestrebungen in all den Ländern aufführen, in denen man viele Jahre bis heute ohne oder mit unzureichenden Belegstellen zu arbeiten versuchte. So zeigt z. B. die Bienenpopulation in den Niederlanden allgemein außerordentlich unangenehme Eigenschaften, obwohl auf vielen Ständen durch ständige Selektion versucht wurde, die Eigenschaften zu verbessern. Ähnlich verhält es sich bei der schweizer Landrasse, einem Gemisch aus verschiedenen Bienenrassen, das man über Selektion und sehr unsichere Landbelegstellen viele Jahre vergeblich zu entwickeln und weiterzuführen versucht hat.