Büchler, R., Moritz, R., Tiesler, F.

Untersuchungen zur Paarungssicherheit von Inselbelegstellen

 

Einleitung

Etwa 10.000 Königinnen werden jährlich auf den 18 deutschen Inselbelegstellen zur Anpaarung aufgestellt (DIB 2004). Ihre Zahl liegt damit etwa dreifach höher als die der instrumentell besamten Königinnen und unterstreicht die große Bedeutung der Inselbelegstellen für die heimische Bienenzucht.

 

 

Allerdings ist die auf älteren Untersuchungen und jahrzehntelangen Erfahrungen beruhende Gewissheit einer absoluten Paarungssicherheit auf den mehr als 3 km vor den Deichen gelegenen Inseln durch Forschungsergebnisse infrage gestellt worden, die in jüngster Zeit von Boecking (2004) veröffentlicht wurden. Sie beruhen auf dem Einsatz moderner molekulargenetischer Untersuchungen, mit deren Hilfe die Vaterschaft individueller Bienen wesentlich präziser als anhand klassischer Merkmalsuntersuchungen bestimmt werden kann. Entsprechende Untersuchungen der im Jahre 2002 auf Langeoog und Norderney gepaarten Königinnen ergaben einen durchschnittlichen Fremddrohnenanteil von 8,0 bzw. 15,5 % (Boecking 2004).

Boeckings Untersuchungen lassen jedoch viele Fragen offen. Sie geben keine Hinweise auf den Ursprung der beobachteten Fremdpaarungen und eröffnen damit auch keine Möglichkeiten zur Eindämmung vermeintlicher Störungen. Die Ergebnisse müssen daher als Aufforderung zur Klärung der Ursachen und Entwicklung eines angemessenen Qualitätssicherungskonzeptes verstanden werden (Tiesler 2004). In diesem Sinne haben die Landesverbände Weser Ems und Hannover das Bieneninstitut Kirchhain gebeten, die Paarungssituation auf Norderney rückgreifend für die Saison 2003 zu überprüfen und eine Vorlaufuntersuchung der Belegstellen Juist, Norderney und Langeoog auf Drohnenfreiheit vor Aufstellung der jeweiligen Drohnenvölker im Jahre 2004 durchzuführen.

 

Rückblick Norderney 2003

Das Bieneninstitut Kirchhain hatte 2003 im Zeitraum vom 26.05. – 15.07. insgesamt 18 Drohnenvölker auf der Belegstelle Norderney aufgestellt. Von 16 dieser Völker waren im nachhinein Drohnenbrutstücke für eine DNA-Typisierung verfügbar. Die Königinnen der übrigen beiden Völker waren als Geschwister der Königinnen der typisierten Drohnenvölker seit ihrem Schlupf eindeutig gekennzeichnet und nachweislich während der relevanten Drohnenaufzuchtperiode in den Völkern vorhanden. Gleichzeitig konnte auf Arbeiterinnennachkommen von 24 im oben genannten Zeitraum auf Norderney gepaarten Königinnen zugegriffen werden.

 

  Inselbelegstelle Norderney (Foto Längert)

 

Dieses Probenmaterial wurde im Institut von Prof. Moritz, Universität Halle anhand von 7 Mikrosatelliten Loci (A7, A14, A35, A76, A79, A107, A113) genetisch typisiert. Auch wenn in wenigen Fällen nicht alle 7 Loci einer bestimmten Arbeiterin eindeutig bestimmt werden konnten, ermöglicht das Datenmaterial eine zuverlässige Differenzierung der Ursprungsvölker der zur Paarung gelangten Drohnen (sogenannte Patrilinien). Eine zufällige Verwechslung der Drohnen fremder Völker mit denen der ausgewählten Drohnenvölker ist daher nahezu ausgeschlossen. Insgesamt wurde die väterliche Abstammung von 239 Arbeiterinnen (9 bzw. 10 Individuen je Königin) überprüft.

Die Vaterdrohnen von 233 Arbeiterinnen konnten eindeutig den genotypisierten Drohnenvölkern der Inselbelegstelle Norderney zugeordnet werden. Sechs Arbeiterinnen, die von 3 verschiedenen Königinnen abstammen, trugen am Locus A7 ein Allel, das bei den genotypisierten Drohnenvölkern nicht vorkam. Allerdings weisen sie an den übrigen 6 Loci durchgängig Allele auf, die bei den untersuchten Drohnenvölkern häufig vorkommen. Alle 6 Arbeiterinnen können Nachkommen eines einzigen Drohnenvolkes sein. Diese Beobachtungen lassen darauf schließen, dass die fraglichen Drohnen von einem der beiden nicht typisierten Drohnenvölker abstammen. Seltene Abweichungen eines einzelnen Loci innerhalb einer Geschwistergruppe von Drohnenvölkern werden gelegentlich beobachtet und können  plausibel durch spontane Mutationen erklärt werden.

Insgesamt konnten damit für die Saison 2003 keine fremden Drohnen auf der Inselbelegstelle Norderney identifiziert werden.

 

Beanstandung von Panzerzeichen bei auf Juist begatteten Königinnen (2003)

Nach Ablauf der Belegstellensaison 2003 führten etliche Beschicker der Inselbelegstelle Juist darüber Klage, dass ein Teil ihrer auf Juist begatteten Königinnen Arbeitsbienen mit gelben Ringen erzeugten. Eine daraufhin von den Landesverbänden Hannover und Weser-Ems durchgeführte Fragebogenaktion ergab, dass 36 % der Königinnen hiervon betroffen waren. Ca. 5 % aller Arbeitsbienen, die von auf Juist 2003 begatteten Königinnen abstammten, zeigten den Farbeinschlag in Form gelber Ringe. Vergleicht man dazu die Merkmalsuntersuchungen der 14 auf Juist aufgestellten Drohnenvölker, so fällt auf, dass bei 8 dieser Drohnenvölker Drohnen mit großen gelben Inseln (nach der Klassifizierung in den Zuchtrichtlinien „I“) vorhanden waren. Im Mittel waren es 2,5 % der Drohnen, die in diese Klasse eingestuft wurden. Dazu muss man wissen, dass die Zuchtrichtlinien des DIB 10 % „I“ für die Carnica zulassen. Da die gelben Ringe (R) bei den Arbeitsbienen in der gleichen Größenordnung wie die Panzerzeichen „I“ bei den Drohnen auftraten, lag die Vermutung nahe, dass die gelben Ringe durch die Drohnenvölker auf der Inselbelegstelle Juist und nicht durch fremde Völker hervorgerufen wurden.

 

 

 

 

 

 

 


Panzerzeichen bei den Arbeitsbienen                                                                                Panzerzeichen bei den Drohnen

Nach der Klassifizierung DIB Zuchtrichtlinien (Zeichnung Hinderhofer)

 

Zur Kontrolle wurden am 06.06.2004 sieben Königinnen mit Drohnen aus drei Geschwistervölkern zu den Drohnenvölkern Juist 2003 (die Königinnen der Drohnenvölker selbst waren im Frühjahr 2004 nicht mehr vorhanden) besamt. Fünf Königinnen davon gingen in Eiablage. Vier von den fünf erfolgreich besamten Königinnen zeigten Nachkommen (Arbeitsbienen) mit gelben Panzerzeichen (E) und Ringen (R). Zur Kontrolle wurden Geschwisterköniginnen der besamten Königinnen 2004 auf Juist zur Paarung aufgestellt. Unter den Arbeitsbienen der vier merkmalsmäßig untersuchten Proben befanden sich keine Arbeitsbienen mit gelben Panzerzeichen.

 Tabelle 1

Auswirkungen der Drohnenvölker von Juist 2003 und 2004 auf die Panzerzeichen von Arbeiterinnennachkommen

Königin

Art der Paarung

Drohnenherkunft

O/e

E

R

12/04

besamt

Juist 2003

96 %

2 %

2 %

13/04

besamt

Juist 2003

88 %

4 %

8 %

14/04

besamt

Juist 2003

98 %

0 %

2 %

15/04

besamt

Juist 2003

100 %

0 %

0 %

17/04

besamt

Juist 2003

94 %

2 %

4 %

19/04

Belegstelle

Juist 2004

100 %

0 %

0 %

20/04

Belegstelle

Juist 2004

100 %

0 %

0 %

21/04

Belegstelle

Juist 2004

100 %

0 %

0 %

23/04

Belegstelle

Juist 2004

100 %

0 %

0 %

O/e = keine Panzerzeichen   E = große Ecken (über 1 mm²)    R = ein oder mehrere Ringe

 

Damit konnte belegt werden, dass die gelben Ringe bei den Nachkommen der 2003 auf Juist begatteten Königinnen auf die Drohnenvölker zurückzuführen sind.

 

  Blick auf Inselbelegstelle Juist (Foto Tiesler)

 

Als Ergebnis aus diesen Beobachtungen ist hervorzuheben, dass große gelbe Inseln (I) bei Drohnen der Carnica-Rasse nicht als rassetypisch gelten und gelbe Ringe bei ihren Nachkommen hervorrufen. Dies wird auch von F. Ruttner in der „Zuchttechnik und Zuchtauslese der Biene“ (7. Auflage S. 151) bestätigt. In den Merkmalsstandard der Zuchtrichtlinien des DIB sollte diese Erfahrung bei der Carnica-Biene einfließen.

 

 

Belegstellenvorlaufuntersuchung 2004

 

Vor Aufstellung der Drohnenvölker wurden im Frühjahr die Inseln Juist, Norderney und Langeoog auf Bienenfreiheit untersucht. Dazu wurden an verschiedenen Standorten Futterproben ausgelegt und Nektar– und Pollenspendende Blüten kontrolliert. Dabei konnten keine Honigbienen festgestellt werden. Vom 12.05. bis 01.06.2004 – in dieser Zeit waren noch keine Drohnenvölker auf den Inseln aufgestellt - wurden auf den Inselbelegstellen Juist, Norderney und Langeoog je 10 unbegattete, reinrassige Carnica Königinnen (Schlüpftag 09.05.2004) in EWKs aufgestellt. Während dieser Zeit herrschte an vielen Tagen günstiges Paarungswetter, so dass von wiederholten Paarungsflügen aller Testköniginnen ausgegangen werden kann. In diesem Zeitraum befanden sich am Festland unmittelbar gegenüber den Inseln viele Wandervölker zur Ausnutzung der Rapstracht. Zum Zeitpunkt der Drohnenvölkeraufstellung wurden die Begattungsvölkchen verschlossen und nach Kirchhain verbracht und dort mit verengten Fluglöchern (zur Verhinderung weiterer Paarungsausflüge der Königinnen) beim Bieneninstitut aufgestellt. Sie blieben dort bis zum 12.07.2004 unter regelmäßiger Beobachtung. Dabei konnten die in Tabelle 1 dargestellten Ergebnisse ermittelt werden.

Tabelle 2:   Begattungserfolg von je 10 im Vorlauf des Belegstellenbetriebes auf den Inseln aufgestellter Königinnen

Insel

Königinnenverlust

K. begattet

K. unbegatttet

Langeoog

0

6

4

Norderney

1

0

9

Juist

1

0

9

 

Alle Königinnen wurden am Ende der Beobachtungsdauer präpariert und auf  eine Füllung ihrer Samenblase mit Spermien überprüft. Während die Samenblasen aller Königinnen ohne Eiablage leer waren, verfügten die Königinnen mit Eiablage über 1,3 bis 6,1 Millionen Spermien in ihren Samenblasen. Letztere begannen zwischen dem 2.6. und 24.6. mit der Eiablage. Bei ihnen wurde der Schlupf der ersten Brut abgewartet um genügend Arbeiterinnennachkommen für morphometrische oder genetische Vaterschaftsanalysen zu sichern. Dabei fiel unmittelbar auf, dass die meisten Nachkommen deutlich farbige Panzerzeichen aufwiesen, die nicht dem Carnica Typus der mütterlichen Herkunft entsprachen.

 

Beurteilung der Ergebnisse

Die störungsfreien Paarungsergebnisse auf Norderney 2003 sowie das Ausbleiben jeglicher Paarungsereignisse während des Vorlauftests 2004 (3 Wochen bei günstigen Witterungsverhältnissen) auf den Inselbelegstellen Norderney und Juist im Jahre 2004 unterstreichen die grundsätzliche Tauglichkeit der Nordsee Inseln für kontrollierte Bienenanpaarungen.

Die abweichende Situation beim Vorlauftest auf Langeoog muss hierzu nicht in Widerspruch stehen sondern könnte eher auf die biologischen Einschränkungen dieses Grundsatzes hinweisen. Im Nachhinein wurde nämlich bekannt, dass die Aufstellung von Buckfast Drohnenvölkern auf der westlichen Nachbarinsel Baltrum bereits am 28.05., also vier Tage vor dem Verschluss der Testköniginnen auf Langeoog erfolgt ist. Sowohl die Ausfärbung der Nachkommen als auch der Zeitpunkt des Eilablagebeginns der auf Langeoog aufgestellten, erfolgreich begatteten Königinnen deuten darauf hin, dass die Paarungen mit Baltrum Drohnen erfolgt sein könnten. Dies würde mit früheren Beobachtungen von Dustmann (2004) übereinstimmen, der die prinzipielle Möglichkeit einer Paarung von Königinnen und Drohnen zwischen den betreffenden Nachbarinseln, insbesondere in Verbindung mit wiederholten und ungewöhnlich lange dauernden Ausflügen der Königinnen anhand mehrerer Beispiele aufgezeigt hat.

Wenn dennoch während des Jahres 2004 im Anschluss an den Vorlauf erfolgten regulären Belegstellenbetrieb ebenso wie in vorangegangenen Jahren keine nennenswerten Gelbeinschläge bei den Nachkommen von auf Langeoog zur Paarung aufgestellten Königinnen beobachtet wurden, deutet dies darauf hin, dass Paarungsereignisse über die Inselgrenzen hinweg die Ausnahme darstellen und primär als eine Notreaktion auf unzureichende Paarungsgegebenheiten innerhalb der Inselgrenzen anzusehen sind. Dies wird auch durch eine von den Landesverbänden Hannover und Weser-Ems durchgeführte Fragebogenaktion bestätigt. Alle Beschicker der Inselbelegstellen wurden im Jahre 2004 angeschrieben und aufgefordert, Mängel bei der Belegstellenbeschickung und das Auftreten von Panzerzeichen (gelben Ringen) zu melden. Hierbei ging über das Auftreten gelber Ringe - auch von den Beschickern der Insel Langeoog -, keine Meldung ein.

 

Eine den komplexen Gegebenheiten gerecht werdende Klärung dieser Fragen setzt weitere aufwändige wissenschaftliche Untersuchungen voraus. Die Bieneninstitute in Celle, Halle und Kirchhain wollen sich dieser Herausforderung gemeinsam stellen. Sie haben hierzu 2004 entsprechende Untersuchungen auf Langeoog eingeleitet. Dabei setzen sie auf eine breite Unterstützung der Verbände und aller am Belegstellenbetrieb auf den Nordseeinseln beteiligten Imker. Ergebnisse der im zurückliegenden Sommer erfolgten Versuche sollen der Imkerschaft vorgestellt werden, sobald die genetische Typisierung des Probenmaterials abgeschlossen ist. Inwieweit die von Boecking dargestellten rätselhaften Befunde des Jahres 2002 im Nachhinein aufzuklären sind, muss zur Zeit noch offen bleiben.

 

Literaturhinweise

Boecking, O.: Anpaarungssicherheit dreier Inselbelegstellen. Allg. Deut. Imkerztg/die biene/Imkerfreund 2/2004, S. 18-19

Deutscher Imkerbund: Bericht über die Tätigkeit des Deutschen Imkerbundes e.V. 2003/2004, Eigenverlag Wachtberg

Dustmann, J.H.: Der Baltrum – Versuch, Rückblick auf die erste Phase eines Forschungsprojektes (1995-1997). Die neue Bienenzucht 12/2004, S. 381-383

Tiesler, F.K.: Viele unbeantwortete Fragen. Allg. Deut. Imkerztg/die biene/Imkerfreund 3/2004, S. 23

Ruttner, F.: Zuchttechnik und Zuchtauslese bei der Biene, 7. Auflage Ehrenwirth Verlag 1996

 

Danksagung:

Den Züchtern und Belegstellenleitern J. Fußy, M. Koehler, W. Renken, H. Lengert J. Saathoff, K. + B. Nahtz sowie W. Wilms wird für die Überprüfung der Inseln Juist, Norderney und Langeoog auf Bienenfreiheit gedankt, H. D. Fehling für die termingerechte Aufzucht von Königinnen und M. Koehler und W. Renken für die Aufzucht von Königinnen und Drohnen im Zuge der Besamungsaktion.